Englischunterricht für Angsthasen

In meinem letzten Blog habe ich bezugnehmend auf den Artikel „ Do you speak English“  von Sandra Schröpfer im Hamburger Abendblatt vom 20./21.2.2016 darüber geschrieben, wie wichtig es für die deutsche Wirtschaft ist, das Niveau in Englisch anzuheben, um qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu motivieren, nach Deutschland zu kommen .In diesem Artikel wurde auch erwähnt, dass viele Fachkräfte aus dem Ausland es vorziehen, in die Niederlande oder nach Skandinavien zu ziehen, weil dort das Niveau höher ist als hierzulande.

Im April 2016 war ich in Amsterdam ,um ein Konzert der Dixie Chicks  zu besuchen, was ein supertolles Erlebnis war (Übrigens hat die Band  aus mir unerklärlichen Gründen kein einziges Konzert in Deutschland gegeben.). Hier haben mein Mann und ich bei meinem niederländischen Cousin gewohnt, der sich größtenteils mit uns auf Deutsch unterhalten hat. Obwohl Deutsch  auch unter Holländern als eine sehr schwierige Sprache gilt und mein Cousin auch kein perfektes Deutsch spricht, nahm er unser Angebot Englisch oder Niederländisch zu sprechen, nicht an und sprach weiterhin konsequent Deutsch, was ihm sichtlich Spaß machte. Auch der Rest meiner Familie, sofern sie auch Deutsch in der Schule hatten, üben sich gerne in der deutschen Sprache, ansonsten sprechen sie Englisch. Wenn man in den Niederlanden unterwegs ist, stellt man fest, dass die Leute in der Regel mit großer Selbstverständlichkeit und Freude Fremdsprachen sprechen.

Auch in Norwegen, wo wir in diesem Jahr unseren Sommerurlaub verbracht haben, ähnelten sich die Erfahrungen. Wir haben meine norwegische Freundin Irene besucht, die heute in Oslo lebt, und mit der ich  im Alter von 13-15 Jahren  ein Zimmer in einem Internat in Las Palmas, Gran Canaria geteilt habe. Obwohl wir uns auch auf Englisch, was sicherlich einfacher für sie gewesen wäre, hätten unterhalten können, haben wir uns die ganze Zeit auf Deutsch unterhalten. Ihr Bruder Tord, dem es sichtlich sehr schwer fiel, Deutsch zu sprechen, und dem wir es öfters angeboten haben, Englisch zu sprechen, sprach konsequent weiter Deutsch. Manchmal wäre es für alle etwas einfacher gewesen ,wenn er Englisch gesprochen hätte, denn auch das Zuhören war nicht immer leicht. Als wir in einem Lokal saßen, habe ich eine Dame gebeten, die am Nebentisch saß, ein Foto von uns zu machen.  Nachdem sie gefragt hatte, woher  wir kämen, fing sie sichtlich interessiert ein Gespräch mit uns an, was sie in einem Mischmasch  aus Englisch und Deutsch führte. Es hat mich verblüfft, mit welcher Selbstverständlichkeit und mit welchem Selbstbewusstsein sie mehr recht als schlecht das Gespräch mit uns führte.

Welch ein Kontrast zu den Erfahrungen, die ich in Hamburg mache. Als Fremdsprachenlehrerin liegt es sicherlich in der Natur der Sache, dass ich es hauptsächlich mit Leuten zu tun habe, die Probleme mit einer Sprache haben und natürlich gibt es auch viele Leute, die sich sehr gerne in Englisch unterhalten, doch in der Regel habe ich den Eindruck, dass man eher Probleme mit der englischen Sprache hat und oft die Gelegenheit gemieden wird, sie zu sprechen. Auch diejenigen, die gut oder sogar sehr gut Englisch sprechen ,sind selten zufrieden mit ihren Kenntnissen. Mit der Erlaubnis der Absenderin drucke ich hier eine Mail ab, die ich vor kurzem erhalten habe. Der Betreff lautete:

Englischunterricht für Angsthasen

Liebe Frau Mau,

ich bin auf der Suche nach einer Möglichkeit, meine Englischkenntnisse neben dem Beruf schnell auf ein gutes Level zu bringen, dass ich im Job benötige. Allerdings scheue ich mich schon seit Jahren davor, endlich intensiven Sprachunterricht zu nehmen und stehe mir und meinen beruflichen Wünschen damit ständig selbst im Weg. Ich bin jetzt 34 und habe seit dem Abi so gut wie kein Englisch mehr gesprochen. Verstehen gelingt wesentlich besser als es zu sprechen. Eigentlich hat sich dieses Thema inzwischen so sehr manifestiert, das es schon einer starken Spinnenphobie gleicht, die ich leider ebenfalls habe.

Ich traue mich einfach nicht mehr zu sprechen und flüchte sogar aus solchen Situationen, indem ich Ausreden erfinde oder gar nicht erst hin gehe. Einstufungsgespräche auf Englisch oder die Angst vor Unterricht in Gruppen waren die ganzen Jahre über der Grund, warum ich nie in eine Sprachschule gegangen bin.

Ich bin also kein einfacher Fall und brauche nicht nur jemanden, der mir Englisch beibringt, sondern auch jemanden der mir Hilft, diese riesen Hürde zu überwinden, vor der ich gerade stehe. Ich bin mir sehr sicher, dass es mir eigentlich Spaß machen würde die Sprache wieder zu erlernen, wären da nur nicht diese Ängste im Weg.

Bin ich bei Ihnen richtig mit meiner Thematik?

Soweit die Mail. Sicherlich befindet sich die Absenderin in einer extremen Lage, aber viele Interessenten melden sich wegen dergleichen Problematik. Sie trauen sich nicht zu sprechen und das ganz unabhängig vom Stand ihrer Kenntnisse. Ich bekomme oft, wenn Kunden mir am Telefon oder in einem ersten Gespräch über ihren Kenntnisstand berichten, ein ganz falsches Bild. Wenn wir dann tatsächlich Englisch sprechen, muss ich feststellen, dass sie oft sehr viel besser sind, als sie sich selbst empfinden. Sie sind oft nicht perfekt, aber sie können sich durchaus verständlich machen, oder sich sogar sehr gut verständigen. Oft sprechen sie nicht besser oder schlechter Englisch als der durchschnittliche Holländer oder Norweger, aber warum tun sie es nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit?

Ein Grund ist sicherlich, wie auch im obengenannten Artikel des Hamburger Abendblatts erwähnt, dass in den Niederlanden wie auch in Norwegen Filme im Fernsehen und im Kino nicht synchronisiert werden. Schon für kleine Kinder wird die englische Sprache „alltäglich“, zu einem Gegenstand des Alltags, wenn sie ihre Lieblingsserien schauen. Sie lernen Vokabeln und ihre Aussprache, ohne es wirklich als lernen zu empfinden. Verständlich, dass man nach vielen Jahren ein ganz anderes Verhältnis zu einer Sprache bekommt, als wenn man sie nur als Unterrichtsfach kennengelernt hat.

Dazu kommt sicherlich auch, dass im Unterricht oftmals das Kommunizieren in der Fremdspreche nicht genügend gefördert wird .Es ist natürlich nicht immer einfach, in Klassen mit vielen Schülern das Sprechen zu fördern, aber es ist dringend erforderlich, damit  die Schüler im Alltag und im späteren Beruf lernen, ohne Hemmungen mit der Sprache umzugehen. Oft besteht ein riesiger Kontrast zwischen dem, womit sich die Schüler intellektuell im Englischunterricht beschäftigen (z.B. Dramen von Shakespeare ,das Thema „Utopie“, etc.) und ihrem Vermögen, in der fremden Sprache tatsächlich kommunizieren zu können. Da denke ich dann oft, wenn ich meine Nachhilfeschüler bei ihren Hausaufgaben, Klausurvorbereitungen, etc. unterstütze, weniger ist oft mehr.

Ein Grund für die Hemmungen mag auch der allgemein bekannte deutsche Perfektionismus sein. Zwar haben die meisten meiner Kunden einige Jahre Englischunterricht an der Schule gehabt, aber oft sind ihnen die Regeln nicht mehr so geläufig, was auch dazu führt, dass sie ungerne in Englisch kommunizieren, so nach dem Motto:  „wenn es nicht 100 % korrekt ist ,sage ich lieber gar nichts“. Das ist wirklich schade, denn gerade durch das Kommunizieren in der Fremdspreche lernt und festigt man sie.

Ein weiterer Gedanken, den viele haben, ist, dass alle viel besser Englisch sprechen als sie. Bei vielen, wie auch bei der Verfasserin der obenzitierten Mail, hat sich regelrecht ein Komplex entwickelt, der sie im Alltag aber insbesondere im Beruf, stark beeinträchtigt. Dagegen sollte man schleunigst etwas machen.

Um die am Anfang gestellt Frage zu beantworten:

Ja, ich biete auch Englischunterricht an für „Angsthasen“!

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